Impuls #2: Was haben Gefühle mit Coaching und Organisationsentwicklung zu tun?

von | Feb 4, 2023 | 0 Kommentare

Vor einigen Jahren durfte ich in der Coachingausbildung von Hephaistos Übungscoachee sein. Ich war überrascht, wie in dieser Sitzung tiefliegende Gefühle wie Scham angesprochen wurden und dachte: Also wenn die mich innerhalb einer Stunde so aus dem Konzept bringen können, muss da ja was dran sein und arbeitete danach mit meiner wunderbaren Coach Claudia Deuster weiter.

Nichtsdestotrotz schaffte ich es ohne Probleme, in den folgenden Jahren relativ gut meine Gefühle zu umschiffen und schnell wieder die Kontrolle zu übernehmen, wenn einmal etwas entglitt. 

Im Rahmen meiner Coachingausbildung wurde mir dann gespiegelt, dass ich ein wenig dazu neige, wie ein Trampolin von meinen Gefühlen wegzuhüpfen, sobald es zu tief geht.

Das wollte ich ändern und fing an, zumindest die ganze Bandbreite meiner Gefühle wahrzunehmen und durchzugehen, auch wenn es unangenehm war.

Als ich vor ein paar Monaten in meiner Arbeit erfuhr, dass sich unsere Struktur ändert und ich zwar weiter an tollen Projekten, aber auf freiberuflicher Basis weiter mitarbeiten kann, war ich auch erst einmal im ersten Moment sehr cool und verständnisvoll – ein paar Stunden später zuhause dann aber doch ziemlich enttäuscht, geschockt und traurig. Gefühle wie Angst und Unsicherheit schwappen hoch und übernahmen erst einmal das Ruder.

So unangenehm das auch war, zum Glück wurde ich am nächsten Tag in meiner Coachingfortbildung aufgefangen und konnte die Gefühle zumindest erst einmal benennen und dann auch in der Folge annehmen. Ich meine, niemand fühlt vermutlich gerne Angst oder Unsicherheit, aber tatsächlich hatte ich in der Situation mich dafür entschieden, einfach mal durchzugehen (philosophisch gesehen sagt man im Tantra übrigens dasselbe, dass man manchmal durch das Dunkle und Unangenehme durchmuss um zum Gefühl von Einheit und Vereinigung zu kommen) und zu vertrauen, dass es wird.

Da ich ja an sich eher dazu neige, gerne alles zu kontrollieren, war dies wirklich nicht angenehm für mich. Als ich jedoch gemerkt habe, ich kann das auch offen ansprechen, dass ich quasi gerade in einem Zwischenraum stecke, es mir nicht richtig gut geht, habe ich versucht mich hineinzuentspannen.

Was mir in dieser Zeit half, war das Bild einer Lotusblüte, die im Schlamm wächst und nur im Schlamm zur Blüte kommen kann. Um beim Bild der Lotusblüte zu bleiben: Wenn dunkle Gefühle wie Trauer, Enttäuschung – beispielsweise nach einer Kündigung nicht gewürdigt werden und keinen Platz finden, kann der Verarbeitungsprozess gar nicht so tief stattfinden. Phasen, in denen Kreativität ausgelebt wird, neue Ideen entwickelt werden und dadurch Freude und Verbundenheit entstehen, werden übersprungen und es bleibt das Bild einer Pflanze, deren Zweige angeschnitten sind, die dadurch aber nicht mehr voll blühen kann. 

Ich erwarte beim Schreiben innerlich so ein wenig Widerstand von traditionelleren Kollegen, die damit möglicherweise nicht viel anfangen können. Tatsächlich war ich auch in meinen ersten Arbeitsjahren trotz kreativer Umfelder sicher eher von „härteren“ Arbeitsumfeldern geprägt, in denen durchhalten und die eigenen Bedürfnisse unterdrücken zum guten Ton gehören.

Allerdings finde ich es so schön, sowohl bei renommierten Organisationsberatern wie Klaus Eidenschink den Hinweis auf die Dringlichkeit, Gefühle zu durchleben und zu würdigen, zu finden:

https://audioportal.metatheorie-der-veraenderung.info/das-thema-ohne-gefuehle-laeuft-nichts/

Als auch bei New Work Experten wie The Dive, in deren unglaublich tollem Buch Der Loop Approach ich Sätze lese wie folgende: In agilen und flexiblen Organisationen übernehmen die Mitarbeiter, um eigenverantwortlich arbeiten zu können, die Aufgabe, wie ein Sensor Spannungen wahrnehmen zu können, diese zu äußern um im Sinne der gemeinsamen Unternehmung sich an neue Umgebung anpassen zu können. Dies wird als „sense and respond“ bezeichnet – im Gegensatz zu dem früher vorherrschenden Paradigma von „Predict and control“, wo von oben herab kontrolliert und angesagt wurde.

Ich finde das ein schönes Bild und kann nur sagen, dass ich mich anfangs schwer tat, meine Gefühle überhaupt wahrzunehmen oder sie zuzulassen. Allerdings wird es ja schwierig, Spannungen wahrzunehmen und zu äußern, wenn man sich selber gar nicht fühlt bzw. keine Übung hat die Gefühle zuzulassen. Ich könnte mir vorstellen, dass es anderen Menschen auch so geht.